EMIL BULLS – ein eindrückliches Gespräch am Greenfield

EMIL BULLS – ein eindrückliches Gespräch am Greenfield

Während FRANK CARTER AND THE RATTLESNAKES die Jungfraustage rocken, treffe ich mich backstage mit Christoph „Chris“ v. Freydorf und Andy Bock, beide Mitglieder der EMIL BULLS.

danny@metalnews | Chris ist der Frontmann und Andy Bock spielt Gitarre, beide sitzen sie in Liegestühlen, wirken entspannt, beinahe ein bisschen wie im Urlaub. Ist aber nicht so, einige Stunden später werden die Jungs gemeinsam mit dem Rest der Crew die Eigerstage gründlich umpflügen.

MN: Wenn man über euch recherchiert, stolpert man immer wieder über Begriffe wie Bierzelte oder Karl Moik, ihr kommt aus Bayern – seid ihr eine Volksmusikkapelle?

EB: (lachen) Na, das hätten die Leute manchmal gern, Nee, ganz und gar nicht. Und gerade die Eckpunkte, die du eben genannt hast, das ist so, dass das viele Leute sofort so assoziieren mit ner Band, die aus München kommt. Wir werden wirklich häufig damit konfrontiert, wenn wir irgendwo hinkommen und gefragt werden, wo wir denn herkommen. „Was, aus Bayern? Wooo, wöw…“ Oder sie finden uns ganz cool und fragen sich dann, wie aus Bayern sowas Cooles kommen kann. Ich glaube, die Leute sind da Bayern gegenüber einfach zu sehr clichéebelastet. Dabei sind wir genau das Gegenteil. Aber man kann sich ja eh nicht dagegen wehren, welche Begriffe sich Menschen über einen bilden. wer uns kennt merkt sehr schnell, dass wir mehr sind als Bierzelt – aber immer gern in einem drin!

Ich spreche die Jungs auf Michael Mittermaier an mit dem Versprechen, dass es das dann gewesen ist mit dem Thema Bayern. EMIL BULLS haben den Track „Revenge“ zu seinem Bühnenprogramm beigesteuert. Allerdings ist das ohne ihr Wissen geschehen, den Song hat „der Michi“ ausgesucht. Und das kam so.

EB: Das Lustige daran ist, wir waren damals auf seinem Label. Er hat uns dann zu einer Show eingeladen und nach dem letzten Sketch kam da unser Song als Outro. Wir haben dann gedacht, dass er das einmal machte, weil wir an der Show waren. Aber nein, das hat er für die ganze Zeit bei dieser Show so gemacht.

Seine Frau ist dann mit der Idee gekommen, dass wir ihn eigentlich überraschen könnten. Und so haben wir bei der letzten Show am Ende wirklich die Bühne geentert und den Song live gespielt. Das war wirklich witzig, weil er in dem Moment total geplättet war. Das kennt man von ihm ja nicht so, üblicherweise ist er ja sehr souverän. Aber in dem Augenblick wusste er wirklich nicht mehr, was er machen sollte.

Bands mögen es nicht so, wenn man sie nach ihrem Stil fragt, nach einem Genre. Bei EB ist das zusätzlich schwierig, weil diverse Genrebezeichnungen ihr Unwesen treiben. Also frage ich die Jungs direkt, welche Genrebezeichnung sie denn erfinden würden, um ihren Stil korrekt zu beschreiben.

EB: Also die Frage kriegen wir tatsächlich seit zwanzig Jahren gestellt und wir konnten sie noch nie beantworten. Fakt ist, dass wir da schon ein bisschen unser eigenes Genre geschaffen haben über all die Jahre. Und anfangs war es für viele auch schwer, mit uns zurecht zu kommen, weil wir halt eine Band sind, die genremässig ziemlich zwischen den Stühlen sitzen. Viele Metaler fanden uns zu poppig, wer eher ruhig mochte, fand uns zu hart. Aber das Schöne ist halt, dass wir uns über die Jahre eine sehr treue Fanbase erspielt haben, die genau diesen Sound mag und ihn von uns erwartet. Und deshalb ist es für uns Wahnsinn, weil wir als Band genreübergreifend Musik machen können. Wir brauchen uns überhaupt keine Gedanken darüber machen, welche Trends gerade in sind. Wir können alles machen, worauf wir Bock haben, sei das nun harter Rock oder weiche Balladen oder elektronische Elemente – und das ist richtig geil.

Für uns als Band heisst das, dass wir uns voll ausleben können. Das ist mit ein Grund, dass es uns schon so lange gibt und keiner von uns grossartige Nebenprojekte hat. Mittlerweile können wir das auch mit Ruhe machen, im Gegensatz zu früher. Uns war das schon immer bewusst, aber heute wissen wir, dass es so stimmt.

Das merken wir beim Songwriting; wir haben eine Idee und wenn wir die gut finden, setzen wir sie um, egal, was es jetzt ist. Da ist kein Druck mehr, da sind wir frei. 

MN: Ihr seid jetzt seit über zwanzig Jahren auf der Bühne. Gibt es etwas, von dem ihr sagen würdet; Das haben wir noch nie erlebt.

EB. : (Lachen wieder) Headliner beim Greenfield zu sein! Das ist tatsächlich eine schwierige Frage, weil wir als Band tatsächlich schon so alles erlebt haben. Da gibt es kuriose Dinge wie die Absage kurz vor der Show wegen Sturm – letztes Jahr am Hurricane-Festival etwa.Nein, ich glaube, dass es wirklich nicht viel gibt, das wir noch nicht erlebt haben. Glücklicherweise wurden wir bis jetzt von so Dingen verschont wie es letzte Woche beim ROCK AN RING geschehen ist, so ein Terrording.
Und das muss man sich einmal vorstellen; es gibt so viele grosse Festivals, die wir auch schon spielen durften, und da reicht dann ein Anruf. Keiner geht ein Risiko ein, dass da wirklich ein Bombe explodieren könnte. Da kann irgendso ein depperter Trittbrettfahrer sagen, da und da ist eine Bombe und dann muss der Veranstalter reagieren. Es ist schon echt krass, wie da eine Angst im Hinterkopf ist, auch wenn du dir sagst, dass du einfach weitermachen musst. Wie gesagt, davon sind wir bisher zum Glück verschont worden.

Ich komme zurück darauf, dass die BULLS seit über zwanzig Jahren spielen und dass das eigentlich Stoff genug für einen Film geben würde. Wenn Sie einen Film drehen würden, wie würde er heissen und wer müsste die Hauptrollen spielen?

EB: „Eine Liebe, die nie endet.“ Mich (Andy Bock) spielt Jochen Vogel und den Christoph spielt Til Schweiger. Da bin ich (Chris) aber nicht mit einverstanden. 

MN: Andy, wie kommst du denn darauf?

EB: Einfach so, weil ich Til Schweiger nicht mag und Christoph eins auswischen wollte. Wir sind so das alte Ehepaar in der Band, wir kennen uns seit 30 Jahren und es ist wie wenn wir verheiratet wären; wir mögen uns eigentlich überhaupt nicht leiden, aber wir müssen halt zusammenbleiben. „Eine Liebe, die nie endet!“

Letztlich findet Chris, dass er sich selber spielen würde, ganz zum Schluss einigen sie sich drauf, dass Andy Chris spielt und Chris Andy…

 

Ich spreche die Jungs auf ihre mittlerweile etwa 15 Alben an und darauf, welches Album denn eine besondere Bedeutung für sie hatte.

EB: Das war für mich (Chris) so die Zeit nach „Southern Comfort“. Da hatten wir als Band eine richtige Krise. Keiner wollte uns mehr hören, die Zuschauerzahlen gingen zurück und sowas. Wir waren da in einer Phase, wo wir uns ernsthaft fragen mussten, ob das Ganze Sinn machte oder ob wir einfach nur einem utopischen Traum hinterher jagten, der sich sowieso nie erfüllen würde. Wir waren damals schon alle Mitte – Ende Zwanzig, und da muss man dann schon schauen. Sonst stehst du dann da als gescheiterter Musiker, der irgendeinem Traum hinterher jagt.
Wir haben uns da auch eine Auszeit verordnet, damit jeder mal zwei Monate darüber nachdenken kann, ob er das noch will und mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Und nach zwei Wochen haben wir uns wieder getroffen und alle haben gesagt: „Ey sorry, ich kann nicht ohne!“.
(Andy) Wir haben uns dann total neu aufgestellt, uns ein neues Management gesucht und ein anderes Label, frisch drauflos musiziert, als ob es keine Grenzen und kein Morgen gäbe. Und glücklicherweise hat das funktioniert. Dabei ist dann das „Black Path“ Album entstanden und zu einem krassen Wendepunkt in unserer Karriere geworden. Das war unsere zweite Chance und seit damals geht es stetig bergauf. Und wenn wir das nicht so gepackt hätten, gäbe es uns heute nicht mehr – deshalb ist das so ein Meilenstein. 

MN: Seid ihr eigentlich positive Menschen?

Die Jungs schauen sich an, runzeln kurz die Stirn und meinen dann, dass sie schon ziemlich positiv wären – der Moik auf jeden Fall. Chris beklagt sich zwar etwas darüber, dass Andy ihn als eher pessimistisch bezeichnet, gibt dann aber zu, dass das wohl schon ein wenig so wäre. „Ausser, wenn wir in der Schweiz bei geilstem Wetter an einem Festival in der Schweiz spielen.“

MN: Und trotzdem scheint dir manchmal die Sonne aus dem Arsch! Dieses Bild habe ich vor drei Jahren hier geschossen.

(Chris) Stimmt, das Bild kenne ich sogar. Das war ein wirklich eindrückliches Wochenende. Meine Mutter feierte ihren siebzigsten Geburtstag und eigentlich war geplant, dass der in Venedig stattfand. Allerdings ging das zeitlich überhaupt nicht auf. Also habe ich sie hierher eingeladen. Zusammen mit meinem Bruder haben wir dann fünf Tage hier verbracht und wir haben mit PRODIGY und RAMMSTEIN ihren Geburtstag gefeiert. Meine Mutter hat noch gesagt: „RAMMSTEIN, das sind doch diese Bösen. Die schau ich mir mal an.“ Und da stand also meine Mama bei RAMMSTEIN und sagte: „Hey Jungs, das ist mein schönster Geburtstag, ich habe noch nie ein besseres Theaterstück gesehen.“ Ist klar, dass dir da die Sonne aus dem Arsch scheint.

MN: Wenn ihr einen Abend mit irgendeiner Person verbringen könntet, wer wäre das?

Chris: Da wir gerade bei RAMMSTEIN waren, bei mir wäre das Till Lindemann. Ich mag seine Texte und Lyrik wirklich sehr. Ich denke, dass wir einen tollen Abend mit viel gutem Rotwein verbringen würden.

Andy: Bei mir wäre das auch jemand aus dem Musikgeschäft, und zwar Dave Grohl. Und den würde ich fragen, wie wahnsinnig man sein muss, damit man zuerst in den geilsten Grungebands spielt (NIRVANA, QUEENS OF THE STONEAGE) und dann die grösste Rockband der Welt gründet (FOO FIGHTERS).

MN: Stellt euch einmal vor, heute wäre der letzte Tag in eurem Leben. Gäbe es da etwas, was ihr beim Rückblick bedauern oder bereuen würdet, nicht getan zu haben?

Chris: Poah, jetzt geht’s tief. Also, um ganz ehrlich zu sein, ich hatte kein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vater. Er ist vergangenes Jahr verstorben und es gab leider nie die Aussprache, die ich mir gewünscht hätte. Das ist das einzige, was ich sagen kann, ehrlich.

MN: Poah, ja, jetzt ging’s tief und der Interviewer sitzt zum ersten Mal in seiner Karriere einigermassen sprachlos und betroffen da, mit einem kleinen Kloss im Hals. Und jetzt weiss ich auch wieder, warum ich Interviews eine tolle Sache finde – weil man nicht mit Musikern oder Prominenten oder Stars spricht, sondern mit Menschen.

Andy: Ja, es gibt sicher so Dinge, die man dann bereut. Dinge, die man immer mal machen wollte. „Ich bin dann mal ein Jahr weg“ oder sowas. Und dann geht es halt nicht, weil keine Zeit ist. Und eigentlich willst du ja Musiker sein. Aber dann denkst du halt schon auch: „Eigentlich hatte ich ein geiles Leben, aber das hätte ich schon gerne noch gemacht.“ 

Chris: Aber den geilsten Job haben wir ja. Auch wenn wir nicht die grössten Rockstars sind, aber Musiker zu sein ist halt einfach geil, ist unfassbar. Da kannst du mit so nem Bus, so nem Nightliner mit dem Mountainbike hinten drin hierher fahren. Setzt dich erstmal zwei Stunden auf das Rad und fährst durch die Berge. Dann kriegst du hier geilstes Frühstück – René Schudel hat mit seiner Truppe die Backstage-Küche bekocht – und darfst dann am Abend auch noch spielen. Auch nach zwanzig Jahren hat das nichts an Faszination verloren. 

MN: Wo sieht man euch noch dieses Jahr?

Andi: Chris hat es ja schon gesagt, dass wir dieses Jahr viele gute Festivals spielen können, Taubertal, With Full Force, Summer Breeze, Wacken oder Deichbrand und eine Menge kleinerer Festivals.

Chris: Und dann werden wir im Herbst noch Touren, um unser neues Album vorzustellen. Das erscheint am 29.09.17 und wird „Kill Your Demons“ heissen. Und das rockt wie Sau!

MN: Chris, Andy, herzlichen Dank für eure Zeit und viel Spass und Erfolg heute Abend!

Die Jungs bedanken sich auch und marschieren dann gleich zum nächsten Termin, während ich durch dieses Hammercatering im Backstagebereich gelotst werde und etwas konsterniert wieder in der VIP-Lounge lande. Naja, immerhin gibt es da ein Bier.

 

 

 

 

 

 

 

 

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