Nachschlag vom GREENFIELD – SECOND FUNCTION im Interview

Nachschlag vom GREENFIELD – SECOND FUNCTION im Interview

Mittlerweile dürften SECOND FUNCTION nicht nur in der Schweiz vielen Menschen geläufig sein, das Trio hat in den letzten Monaten mächtig Tourerfahrung gemacht. Grund genug für ein Gespräch mit Sascha und Flo nach ihrem Auftritt auf der Jungfrau-Stage des GREENFIELD-Festivals Interlaken.

Damit der Druck schon einmal ziemlich hoch ist, hat Sascha mich getröstet und gemeint, ich müsse mich nicht auf das Interview vorbereiten, da ich sie eh schon gut kennen würde.

MN: Ich habe kurz bei Wikipedia vorbei geschaut und tatsächlich – es gibt einen Eintrag über euch – von 2011… What The Fuck – habt ihr euch in der Zwischenzeit aufgelöst und gestern so etwas wie eine Reunion gefeiert?

Sascha: Nein, wir machen das einfach unter dem Radar von Wikipedia. Wir dachten uns, dass wir im Zusammenhang mit den ganzen Überwachungen diese Infos nicht mehr auf WP haben sollten. Wir haben eh die Vermutung, dass unsere Handys abgehört werden. 

Flo: Seit 2011 sind wir also unsichtbar für Wikipedia. und das ist gut so. Wikipedia und NSA, genau.

MN: Wer genau hört euch denn ab? Habt ihr einen Verdacht? Oder wisst ihr es genau?

Flo: Ja, Trump und Putin – gemeinsam.

MN: Da seid ihr aber ein Stück weit auch selber schuld. Ihr habt letztes Jahr eine ausgedehnte Tour durch Russland gemacht.

Flo: Ja, das ist wohl so, da sind wir selber schuld – shit happens.

Sascha: Ja, das ist so. Allerdings haben wir die Shows schon 2011 vorbereitet und mussten das natürlich geheim machen. Allerdings hat das Putin dann doch bemerkt und seit wir zurück sind, haben wir den Verdacht, dass wir abgehört werden.

MN: Also ist das grösste Problem der beiden Herren eigentlich gar nicht die Wahlmanipulation, sondern SECOND FUNCTION.

Sascha und Flo lachen: Nein, das ist nur das, was der Öffentlichkeit erzählt wird, ein Walfisch hat damit nichts zu tun.

MN: Okay, nachdem die Ernsthaftigkeit gerade in den Keller geht, kann ich hier auch die dööfste aller Bandfragen stellen – was bedeutet eigentlich „SECOND FUNCTION“?

Flo: Das ist lustig, die Frage hat uns seit Jahren niemand mehr gestellt und hier am GREENFIELD bist du bereits der dritte, der uns das fragt. Ich möchte das einmal so erklären; SF sind eigentlich Sascha, Luki und ich. Es steht für das, was wir lieben, was uns Spass macht. Die Urgeschichte hingegen kann man auf Wikipedia nachlesen – auf der alten Seite.

MN: Okay, verarschen kann ich mich auch selber. Ihr hättet auch gleich sagen können: Mann, mach deinen Job und recherchier selber. Und das, nachdem Sascha versprochen hat, ich müsse mich nicht vorbereiten.
Nichts desto trotz – mir ist aufgefallen, dass euer Wahlspruch „dum spiro,spero“ heisst (Solange ich atme, hoffe ich – Anm. der Red.).

Sascha: Ja, das steht für uns ein wenig wie „Feed Yourself“ – alles, was wir bisher erreicht haben, haben wir uns selber erarbeitet. Wir arbeiten täglich dafür – neben unsern Jobs natürlich.

Flo: Das ist natürlich auch ein Augenzwinkern im Sinn von „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

MN: Wenn eine Band neu ist, frisch anfängt, ist es immer spannend, was sie auf die Frage antworten: Habt ihr die Hoffnung, einmal von der Musik leben zu können?
Ihr seid etwas länger im Geschäft, vielleicht auch etwas abgeklärter. Gibt es die Hoffnung für euch trotzdem, die Hoffnung auf den grossen Durchbruch und damit die Möglichkeit, von Musik zu leben?

Flo: Ich würde es einmal so sagen; klar wäre es geil, wenn das passieren würde. Allerdings haben wir in den letzten Jahren auch gemerkt, dass es nicht nur lustig ist, von der Musik abhängig zu sein. Das Geschäft ist immer härter geworden, du kannst immer weniger Geld damit verdienen.
Wir kennen viele Bands, die davon leben, dabei aber täglich ums Überleben kämpfen. Wir sind gerne auf Tour, aber wenn du nonstop touren musst, damit genügend Kohle reinkommt, ist das nicht nur spassig.

Sascha: Die Frage ist auch, ob du von der Musik leben willst. Wenn du morgens aufstehst und weisst; ich muss Musik machen. Wir machen es mit soviel Leidenschaft und es ist nicht sicher, dass das dann bleibt.
Für uns ist die Musik ein guter Ausgleich zum Job – und der Job ein guter Ausgleich zur Musik.

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MN: Okay, dann mal eine Frage, die ich echt nicht weiss – was macht ihr eigentlich nebenher, also sonst, also eigentlich als Hauptbeschäftigung?

Flo: Du meinst, am Tag?

Sascha: Wir sind eigentlich wie Actionhelden. Tagsüber sind wir Biedermänner, nachts die Helden. Und tagsüber hören wir professionell Telefone ab. Wir wissen, wie es geht!

MN: Also Telefon abhören nicht im Sinne von Checklisten abhaken und lästige Supportanfragen weiterleiten, oder? Eher geheim und so…

Sascha: Also ich würde jetzt gerne erwähnen, dass wir einen Chemie-Doktor an den Trommeln haben.

MN: Okay, das war jetzt ein netter Versuch, auszuweichen. Mich interessiert, was ihr Beiden macht.

Sascha: Ich führe eine Firma im Elektrogrosshandel.

MN: Namen nenne wir hier jetzt nicht, oder?

Sascha: Nein, wir arbeiten sowieso nur B2B.

MN: Und was das heisst, wissen eh die Meisten nicht, also lassen wir es. (B2B meint business to business – also keine Verkauf an Private. Anm. der Red.)

Flo: Ich arbeite in der digitalen Welt – Softwareentwicklung.

Sascha: Ich habe mal eine Frage: dum spiro spero – musstest du das googeln oder kannst du lateinisch?

MN: Was für eine Frage? Klar wusste ich das – allerdings muss ich zu meiner Schande gestehen, dass mein Lateinlehrer und ich nach einem halben Jahr entschieden, dass ich eher für lebendige Sprachen geeignet bin. Und seither beschränkt sich mein Lateingebrauch darin, dass ich Redewendungen nachschlage. Ausser dum spero spiro – weil ich das in jenem sagenhaften Halbjahr wirklich gelernt habe. Neben der Abkürzung Ehe übrigens.

Sascha: Ehe als Abkürzung? Was heisst das denn?

MN: errare humanum est – irren ist menschlich! Ich bin meinem Lateinlehrer übrigens sehr dankbar, weil mir diese „Freistellung“ Zeit für Wichtigeres bot – BLACK SABBATH hören zum Beispiel.

Flo: Das ist definitiv besser als Latein.

MN: Kommen wir nochmals zu euren Touren. Letztes Jahr wart ihr intensivst unterwegs, unter Anderem eben auch in Russland. Nun kommt man als Schweizer nicht unbedingt auf die Idee, dass eine Tour durch dieses riesige Land so die Kasse klingeln lässt. Wie war das für euch?

Flo: Ich war extrem positiv überrascht von Russland. Ich konnte mir das auch nicht so richtig vorstellen, wie das ablaufen würde. Schliesslich kennt uns keine Sau in Russland. Aber die Menschen da sind extrem offen und herzlich.
Wir haben beispielsweise an einem Festival gespielt und die Leute haben auf den Headliner gewartet, auf die Schweizer Band. Das war eine geile Erfahrung.

Sascha: Das mit dem Kassen klingeln ist schon so. Für uns ist das aber nicht zentral. Wir hatten das Angebot, die Tour zu spielen und fanden das spannend. In Japan oder auch in Russland, da lernt man so viel Anders kennen, andere Kulturen. Du erfährst, wie die Konzertszene dort funktioniert.
Japan zum Beispiel ist extrem gut organisiert, minutiös, super Technik – die checken alles brutal gut. Russland ist da natürlich etwas anders. Da ist alles etwas chaotischer.
Aber eben – wir hatten die Möglichkeit und haben sie genutzt.

MN: Was war das Eindrücklichste in Russland?

Sascha: Wir haben sehr viel Zeit im Auto verbracht. Und da kamen wir jeweils an und hatten wenig Zeit bis zum Soundcheck und den Gigs, dann ging es schnell weiter. Ich fand es aber beispielsweise cool, über den roten Platz zu gehen. Obwohl Moskau und die anderen grossen Städte eher inszeniert sind, an den westlichen Geschmack angepasst.

Flo: Also ich fand es cool, 700 km Autobahn zu fahren, ohne eine Tankstelle, ohne gar nichts. Und die „Autobahn“ war eher ein Trampelpfad, da reihte sich Schlagloch an Schlagloch. Unser Fahrer hat uns das gesagt, dass jetzt 700 km lang nichts mehr kommt.

Sascha: Und das waren 700 km eigentlich durch einen Wald. Wir waren da ja im Mai und der Fahrer sagte uns, dass er hier im Winter nur im äussersten Notfall anhalten würde. Wenn jemand beispielweise pissen muss, dann nur kurz aus dem Auto, Geschäft verrichten und dann wieder rein – weil es dort eben Bären hat.
Ein Motorschaden auf der Strecke ist also ganz schlecht, denn dir wird vermutlich niemand entgegen kommen ausser einem Bären – oder zwei.

MN: Ihr seid in letzter Zeit viel unterwegs gewesen und zwar auch mit sehr bekannten Bands wie BIFFY CLYRO oder DOG EAT DOG oder LIFE OF AGONY. Wie ist das?

Sascha: Cool, weil die meisten dieser Bands und Musiker zwar Musik auf höchstem Niveau machen, aber total am Boden geblieben sind. Da kommt es vor, dass BIFFY CLYRO dich in der Grabenhalle St.Gallen fragen, wie es ist, mit In-ears zu spielen – weil die das bisher einfach noch nicht gemacht haben.

Flo: Ja, beispielsweise LIFE OF AGONY. Das sind ja Amerikaner, und die diskutieren mit dir über Europa und Amerika – aus demselben Blickwinkel – das ist schon sehr lässig.

MN: Im Gegensatz zu früher verdient eine Band heute Geld, wenn sie auf Tour ist. Früher waren Tours da, um Alben zu promoten, heute ist es umgekehrt. Also muss man immer wieder Material haben. Wie sieht es bei euch aus mit neuen Songs?

Flo: Wir arbeiten zwischen den Konzerten immer an neuen Songs, klar. Wir proben ja selten, eigentlich nur, wenn wir neues Material aufnehmen oder direkt Shows vorbereiten. Das nehmen wir dann teilweise auch auf als Demos. Wir haben also schon Material, aber jetzt noch nicht so, dass wir das Album beisammen haben. Aber wir sind dran und steuern in die Richtung.

Sascha: und dafür sind Konzerte und Touren wirklich grossartig. Da können wir neues Material ausprobieren, Feedback abholen und sehen, ob es auch ankommt. Hier am GREENFIELD haben wir beispielweise drei neue Songs gespielt.

MN: Gestern konntet ihr hier zum ersten Mal auf der Hauptbühne spielen. Wie war es auf der Jungfrau Stage?

Sascha: Das war bisher die grösste Bühne und das Coole ist, es war alles total professionell. Wirklich schön war auch, dass wir uns gleich behandelt gefühlt haben wie Bands, die später gespielt haben. Wir waren zwar Opener, haben uns aber nicht so gefühlt.
Und das gibt dir die notwendige Sicherheit und Lockerheit, um das Ganze dann zu geniessen – und das ist der Grund, warum wir Musik machen.

Flo: Das war auf jeden Fall hammergeil, diese Bühne zu rocken.

MN: Und schliesslich kann man sich steigern, oder? Nächstes Jahr dann um sechs, dann um acht?

Sascha: Also eigentlich zielen wir schon auf den Headliner-Slot, das ist so geplant.

Flo: Und nachlesen kannst du das dann auf Wikipedia. Ich muss übrigens wirklich mal wieder auf diese Seite gehen und lesen, was da steht.

Sascha und Flo lachen. Man sieht ihnen an, dass sie sich hier am GREENFIELD sichtlich wohl fühlen. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Zeit, packe mein Zeugs zusammen und mache mich auf den Weg zum Interview mit den DONOTS. Die haben natürlich einen aktuelleren Wikipediaauftritt – und ich bin seriös vorbereitet.

 

 

 

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