Review: THE BEAUTY OF GEMINA – „Minor Sun“ am 02.09.2016

Review: THE BEAUTY OF GEMINA – „Minor Sun“ am 02.09.2016
Photocredit Bianca Ott

Ich habe selten den Anspruch, bei Reviews objektiv zu sein – kann man das, wenn einem etwas ge- oder missfällt? Warum also sollte die Besprechung des neuen Albums „Minos Sun“ von THE BEAUTY OF GEMINA eine Ausnahme darstellen?
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© danny@rocknews.ch | © Beitragsbild Bianca Ott

Dark Wave aus der Schweiz zuhause bei TBOG Music


Eben noch hatte ich die Gelegenheit, am Greenfield Festival ein Interview mit Frontmann Michael Sele zu führen und schon flattert mir die neue Scheibe der Band auf den Tisch.

Greenfield-Interview | THE BEAUTY OF GEMINA

Dass bereits die Aufmachung von CD und Booklet wunderschön ist, hat mich nicht weiter überrascht. Wenn Michael Sele etwas anpackt hat er den Anspruch, es so gut wie möglich zu machen – auf sämtlichen Ebenen. Es sind Kleinigkeiten, für ein musikalisches Werk nicht zentral und doch tragen sie zu einem runden Gesamteindruck bei; die schönen Landschaftsbilder, das Coverbild, das den Sänger und Songschreiber als durchsichtige, androgyne Figur erscheinen lässt oder der Pfau, der das Booklet ziert und sich in stilisierter Form wieder auf der CD selber findet. Allein das führt dazu, dass man diese Scheibe nicht gerne ins Regal stellt, da dann nur noch der schmale, weisse Rücken sichtbar ist.

Und die Musik? Ich habe bereits zur ersten Auskopplung Stellung bezogen. Nichts weniger als „Crossroads“ von Calvin Russell haben TBOG gecovert und mit einem Video versehen. Was Sele und seinen Mitmusikern hier gelungen ist, daran würden sich viele die Zähne ausbeissen. Den Kultsong eines Whiskey trinkenden Brachial-Singer – Songwriters als Darkwave-Track umzusetzen ist schon eine Hausnummer. Und sie ist gelungen, ist eine Neuinterpretation, zu welcheam auch die melancholischen und nachdenklichen Bilder des Videos passen. „Crossroads“ verträgt also mehr als eine staubige Strassenkreuzung im mittleren Westen der USA. Hut Ab!
Übrigens; Russell hat den Song auch nicht selber geschrieben, sondern das Original des Singer Songwriters Saylor White aufgenommen.

Crossroads reiht sich damit ein in eine Reihe von Songs, welche die gesamte Bandbreite der Band und damit Michale Seles Schaffen illustriert, hörbar macht.

Es mag penetrant und für die Mitmusiker nicht immer einfach sein – in dieser Band ist der Frontmann eben der Frontmann. Michael Sele schreibt die Songs und Texte selber, dürfte sich aber sehr wohl bewusst sein, dass es für die Umsetzung – spätestens auf der Bühne – Musiker braucht, welche die Klasse haben, diese Musik so umzusetzen, dass sie stimmt. Und diese Musiker sind insbesondere Drummer Mac Vinzens und Bassist Andi Zuber.

Auf dem Album Minor Sun taucht zusätzlich der Cellist Raphael J. Zweifel auf, der in beinahe sämtlichen Song seinen Teil zum Gelingen beiträgt.

Michael Sele, Mac Vinzens, Andi Zuber
Michael Sele, Mac Vinzens, Andi Zuber

Und da Michael Sele für die Musik verantwortlich zeigt, ist auch „Minor Sun“ Ausdruck seiner enormen Kreativität.

Dabei ist Sele Rocker und Poet, der Mann für die grosse Bühne oder den intimen Club. Wer seine akustischen Shows im Zürcher Moods miterlebt hat weiss, was ich meine.


Anspieltipps

Da „Minor Sun“ kein Konzeptalbum ist, können einzelne Songs für sich genommen betrachtet werden. Ich habe versucht, mich auf jene Songs zu konzentrieren, welche für mich die Faszination des Albums ausmachen.

„End“ – interessanterweise jener Song, der am Anfang des Albums steht – ist einer der Tracks für die grosse, rockige Bühne. Der Track drängt vorwärts, Seles Stimme eindrücklich, eindringlich und teilweise beinahe fordernd. Die musikalische Umsetzung darf man getrost alternative nennen, die treibenden Grooves etwa oder die Akkordwand der Gitarre. Für mich ist das auch ein Song, den ich als typisch für TBOG bezeichnen würde.

„Endless Time To See“ ist ebenfalls charakteristisch, charakteristisch dafür, dass Sele fröhlich Genregrenzen herausfordert und überschreitet – wenn auch sanft und ohne grosses Aufhebens. Der Einstieg und mehrere Zwischenpassagen werden durch Keyboards mit Elektropop-Attitüde unterlegt, darüber TBOG in Reinkultur. Für die Anhänger der schwarzen, melancholischen Musik ist das wiederum nicht erstaunlich, gehört die ganze Szene doch in eine Art Zwischenwelt, sichtbar auch durch die Spannung zwischen schwarzer Kleidung, roten Akzenten und weisser Haut, oft geschminkt und überhöht.

„Wonders“ – TBOG trifft auf PINK FLOYD. Die Musik klingt psychedelisch auf eine melancholische und moderne Art. „I’ve been looking out of the rain, and the minor sun, minor sin we don’t fear them“ – diese Poesie wird musikalisch eins zu eins umgesetzt und greift damit den Albumtitel auf.

Neben „Crossroads“ ist ganz klar „Winter Song“ der Lieblingstrack. Setzt dieser Track nun die künstlerische Gestaltung von CD und Booklet um oder war er Inspiration dazu? Für mich fliessen die beiden Ausdrucksformen hier zusammen, verschmelzen in einer Schönheit, die mich bei Seles Arbeit schon immer fasziniert hat, seien es nun Plattencover, Musik oder Videos.

Fazit

Dass Michael Sele ein Gesamtkunstwerk ist, habe ich an anderer Stelle schon erwähnt. Ich kann es hier einmal mehr betonen. „Minor Sun“ kommt für mich gleich nach den genialen „Myrrh Sessions“, einfach ein schönes Album, etwas für die ruhigen, besinnlichen Momente, die wir in dieser hektischen, fordernden und oft überfordernden Welt so dringend brauchen.

Prädikat; THE BEAUTY OF GEMINA haben mit „Minor Sun“ ein Album geschaffen, das man nicht zwingend besitzen muss. Man verpasst einfach ein Stück Schönheit und Anmut, wenn man es sich nicht besorgt.


TracklistTBOG_COVER_MINORSUN_500

1     End
2     Waiting In The Forest
3     Bitter Sweet Good-Bye
4     Endless Time To See
5     Close To The Fire
6     Crossroads
7     Down On The Lane
8     A Thousand Lakes
9     Wonders
10   Another Death
11   Wednesday Radio
12   Winter Song
13   Silent Land

Lineup
Michael Sele | Gesang, Gitarren, Keyboards
Mac Vinzens| Schlagzeug
Andi Zuber | Bass
Online

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