Wie doof sind wir eigentlich? Ein offener Brief…

Wie doof sind wir eigentlich? Ein offener Brief…

METALNEWS SWITZERLAND ist mein Kind, ich liebe es seit über acht Jahren, pflege und hätschle es, investiere viel Zeit und nicht wenig Geld.

Selbstverständlich verdiene ich damit kein Geld, allenfalls ein wenig Ruhm und Ehre oder Anerkennung. Das Wichtigste dabei – ich habe im Lauf dieser Jahre viele gute, freundliche, hilfsbereite Menschen kennengelernt.

we came as romans @ summerbreeze – fotocredit danny frischknecht

Da sind Fotografen, mit denen ich viele Gräben und sehr unterschiedliche Presselocations geteilt habe, Freunde und Freundinnen von anderen Webzines, Musikerinnen und Musiker, Bands, Promoter, Labels und Veranstalter. Ich habe eine neue, mir bis dahin kaum bekannte, zumeist tolerante und offene Welt betreten und viel erfahren und gelernt.

Ganz besonders am Herzen liegen mir natürlich jene Menschen, die mich bei der täglichen Arbeit unterstützen – mein Team. Momentan sind das besonders Leonie Dowidat, Claudia Chiodi, Lars Müller und Yanik Bays, temporär Steven Scholl, Carole Baysang und Natalie Pfund. Danke, ohne euch wäre das nicht möglich.

Ich bin heute dankbar und glücklich darüber, dass das Experiment Metalnews Switzerland bis jetzt geglückt ist, blüht und gedeiht.

Einen wesentlichen Teil zu diesem Gelingen tragen all Jene bei, die uns überhaupt an ihre Events lassen, an Konzerte und Festivals.

Und genau ihnen – zumindest einem Teil von ihnen – gilt dieser offene Brief


nine inch nails @ hallenstadion – fotocredit danny frischknecht

Bevor ich aber weiterschreibe, muss ich einigen Leserinnen und Lesern kurz erklären, wie das Geschäft funktioniert.

Wenn ich gerne an ein Konzert möchte, um darüber einen Beitrag mit Bildern und Text zu schreiben, brauche ich eine Akkreditierung. Das ist so quasi eine Einladung mit der Erlaubnis zu schreiben oder zu fotografieren – und das dann zu veröffentlichen.
Damit du akkreditiert wirst, braucht es einen langen Atem und viel Geduld. Klar, dass ein Veranstalter nicht Jeden auf eine Gästeliste setzt, der dazu einfach Lust hat.

Auf jeden Fall musst du für ein Medium arbeiten, das ein gewisses Gewicht hat und wo du Vorberichte veröffentlichen kannst. Ich habe gleich mit einem eigenen Webzine gestartet und gleichzeitig einige Zeit für Stormbringer und Rockgarage geschrieben. Danke, für die Türen, die ihr mir geöffnet habt.

Hast du das geschafft, brauchst du noch Geld. Nicht für die Tickets – du stehst ja auf der Gästeliste!
Aber du brauchst ordentlich Kohle für eine gescheite Fotoausrüstung. Die Veranstalter und Bands erwarten nämlich gute Bilder. Und weil das verfügbare Licht oft Sch… ist, die Bühnen häufig hoch sind und viele Musiker eher im Hintergrund derselben agieren, brauchst du Objektive mit ordentlich Licht und Zoom. Bringen wir es auf den Punkt; ein paar Tausender gehen da schon über den Ladentisch.

Dass du auch ans Venue kommen musst, ein Bierchen brauchst und vielleicht einen Burger versteht sich von selbst – das müssen die „normalen“ Fans aber auch, zählt also nicht.

Jetzt bist du dabei, darfst üblicherweise die ersten drei Songs knipsen, meistens aus einem mehr oder weniger grosszügig bemessenen Graben. Dort gibt es Security, mit der man sich gut stellt, weil die auch uns Fotografen schützen – vor Pyro oder crowdsurfenden Fans.
Nach den drei Songs pro Band darfst du meist bleiben und das Konzert bis zum Schluss geniessen.

van canto @ summerbreeze – fotocredit danny frischknecht

Dann geht es nachhause, wo du baldmöglichst deine Bilder auswählst, optimierst und online stellst – eingebettet in einen Bericht natürlich, den du auch noch mit einer Setlist ergänzen kannst. Von diesem Bericht schickst du dann einen Beleglink an den Veranstalter und/oder die Band.

Wenn du das gut gemacht hast, darfst du wieder an ein Konzert. Das Schöne dabei – je länger du das machst, umso grösser werden die Konzertsäle und Festivals – was bedeutet, dass da auch immer bedeutendere Bands spielen. Vor acht Jahren hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich irgendwann RAMMSTEIN, IRON MAIDEN, MOTÖRHEAD, SAXON, ALICE COOPER, ANTHRAX und, und, und vor die Linse kriege oder am GREENFIELD, BANG YOUR HEAD, METALDAYS, SUMMERBREEZE oder WACKEN bin oder Leute von uns da hinschicken kann.

So also funktioniert dieser Business – meistens!


zakk wylde @ rock the ring – fotocredit danny frischknecht

Also; liebe Veranstalter, Agenturen und Managements!

In den letzten acht Jahren haben wir 12’000 Beiträge verfasst; News, CD-Reviews, Liveberichte und tonnenweise Vorberichte und Ankündigungen zu euren Konzerten. Im Durchschnitt waren das 3 Beiträge pro Tag – heute sind das mindestens doppelt so viele. Manchmal war ich allein, manchmal haben mich junge, engagierte Leute unterstützt. Heute besteht Metalnews aus einem jungen und engagierten Team und wir vertreten eine Philosophie, die für uns zentral ist; von Fans für Fans!
Wir erreichen nicht Millionen von Fans. Im Gegensatz zu sämtlichen Tages- oder Wochenzeitungen und Illustrierten in der Schweiz aber doch Tausende oder Zehntausende Fans von Rock, Punk, Blues oder Metal – wir haben eine klare Zielgruppe.
Das sind zwischen 15’000 und 20’000 unique ips (einzigartige Internetadressen) die zwischen 150’000 und 200’000 mal pro Monat unsere Seiten anklicken (page views).
Zugegeben, da mag auch einmal ein Roboter durch den Spamfilter rutschen und Besucher kommen zufällig vorbei. Trotzdem decken wir den deutlich grössten Teil unserer Besucher in der Schweiz, Österreich und Deutschland ab. Weniger als 10% kommen aus Turkmenistan oder Abchasien oder Russland oder so.
Da kommen dann noch Twitterfollower oder Facebook-Nutzer dazu.

Wenn wir also über eure Veranstaltungen berichten, lesen das eine ganze Menge Menschen. Wie viele davon dann Tickets kaufen, die sie sonst nicht gekauft hätten, weiss man hingegen nicht, das ist dann dasselbe wie bei Werbeschaltungen oder Inseraten.


fan @ … – fotocredit danny frischknecht

Die meisten Veranstalter wissen das zu schätzen, akkreditieren und unterstützen uns und machen uns sogar zu Medienpartnern. Das bedeutet, dass unser Logo auf ihrer Website erscheint oder auf Flyern. Das ist wirklich nett und wohl eine klassische win-win-Situation.

All jene, die zu dieser Kategorie gehören, wissen, dass sie hier gemeint sind – hoffentlich! Sie aufzuzählen wäre nämlich eine sehr lange Liste, die in jedem Fall unvollständig wäre.

Ich finde es nicht selbstverständlich, dass wir am SONISPHERE sein dürfen, am GREENFIELD oder ROCK THE RING, im LETZIGRUND oder HALLENSTADION aber auch am BANG YOUR HEAD, SUMMERBREEZE, ALPEN FLAIR, den METALDAYS oder auf WACKEN.
Nicht zu vergessen Orte wie das KOMPLEX 457, DYNAMO, XTRA, VOLKSHAUS oder unser aller Metaltempel, das Z7.

Aber auch an all die Dutzenden kleineren und mittleren Locations, Konzerte und Festivals in der Schweiz und im Ausland – vielen Dank!


the beauty of gemina @ moods – fotocredit danny frischknecht

Was mir aber zunehmend auf den Senkel geht, ist das Gebaren gewisser Veranstalter. Zuerst lassen sie dich auf ihre Akkreditierungsplattformen, du darfst fleissig Vorberichte schreiben und Leutchen anmelden und hoffen und bangen.
Wenn du Glück hast, kriegst du relativ bald eine Absage – manchmal anständig verfasst, teilweise sogar von wirklichen Menschen, die sich auch fast entschuldigen oder sich um dein Verständnis bemühen – so geschehen etwa beim SOUTHSIDE, wo ich mir schon gar keine Hoffnungen machte, überhaupt wahrgenommen zu werden.

So ist das auch okay; schliesslich gibt es eine Menge Gründe, warum wir nicht akkreditiert werden können. Ist für mich auch okay, wenn jemand schreibt, dass man uns nicht will, weil wir zu unbedeutend sind oder nicht das Zielmedium.
Auch okay natürlich, wenn wir sehr spät mit Anfragen sind – voll korrekt!

Was nicht okay ist; wir müssen pageviews und unique ips belegen, Belegexemplare von Ankündigungen und Vorberichte einreichen und teilweise vor Dummheit und rechtlicher Unkenntnis strotzende Verträge unterschreiben, die dann im Papierkorb landen.

Ich musste irgendeiner Amiband tatsächlich einmal versichern, dass ich ihr die Rechte an meinen Bildern „for eternity“ überlasse. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lange und ausgiebig lachen.

Was auch nicht okay ist; wir kriegen zwei Tage oder einen Tag oder einige Stunden vor dem Konzert eine Absage – das Management hat unsere Anfrage leider abschlägig behandelt. Beispiel; LIVENATION am Nachmittag vor dem Konzert von Guns’n’Roses.
Manchmal hören wir auch gar nichts, null, nada!

Das ist Kacke – so behandelt man einfach Niemanden, der kostenlose Werbung macht!

Gewisse Veranstalter wie GOODNEWS kommunizieren übrigens, dass die Zu- oder Ansage erst wenige Tage vor dem Konzert kommt. Passt, da weiss man, woran man ist!


Aber es geht weiter.


scott ian anthrax @ sonisphere – fotocredit danny frischknecht

Du kriegst eine Akkreditierung – Hallelujah! Gott, Management und Agentur und Veranstalter sei Dank!
Dummerweise darfst du aber nur die Vorbands fotografieren, dafür über den Headliner schreiben. Oder du darfst überhaupt nur kucken und schreiben. Manchmal erfährst du das auch erst vor Ort.
So geil, unsere Leserinnen und Leser freuen sich unheimlich auf Berichte ohne Bilder!
Ist auch besser, weil das Internet ja so langsam ist, dass es sowieso ewig dauert, bis Bilder im Browser geladen werden…

Und obwohl wir Tausende Fans erreichen – und da meine ich jetzt die Gesamtheit unserer befreundeten Schweizer Webzines – dürfen irgendwelche Regionalblättchen zu METALLICA oder AEROSMITH und die meisten Webzines bleiben draussen? Ausgerechnet die Vertreter der Fangemeinden, welche solche Bands gross gemacht haben?

Das beste Beispiel, das ich erleben durfte; beim Interview sagt mir Joey De Mayo von MANOWAR selig, dass er sich freut, wenn ich an die Show in Basel komme, die würde grossartig. MANOWAR haben sich bis zur Auflösung immer damit gebrüstet, dass sie alles für ihre Fans tun. Ausser Konzertbildern? Dumm nämlich, dass an den Shows dieser Band kaum je Webzine-Fotografen zugelassen waren – auch in Basel nicht.


derrick green sepultura @ greenfield – fotocredit danny frischknecht

Warum läuft das denn so?

  • Zuerst und zuallererst, weil arrogante Grosskonzerne wie LIVENATION das Business kaputtmachen und es nicht für nötig befinden, transparent und direkt zu kommunizieren. Wir alle werden in den nächsten Jahren erleben, was es bedeutet, dass dieser Konzern immer mehr einkauft und immer mehr monopolisiert. Konzerte werden in Zukunft ganz bestimmt nicht günstiger – was sie in der Schweiz ja schon lange nicht mehr sind.
    Dabei ist es mir persönlich schon ziemlich egal, dass die das Frauenfelder Openair gekauft haben.
  • Dann, weil man schlicht zu bequem ist oder keinen Respekt vor Menschen hat, die in gutem Treu und Glauben eine Vorleistung erbringen und ihr Leben um Konzerte herum organisieren – an die sie dann doch nicht gehen dürfen.
  • Und dann, weil man einfach überfordert ist oder schlecht organisiert oder nicht delegieren kann.

Letzteres kann ich übrigens am ehesten akzeptieren und teilweise sogar nachvollziehen.

Und trotzdem ist es oft nicht FAIR von euch Veranstaltern, Agenten oder Managements.

Glaubt ihr wirklich, wir nehmen den ganzen Aufwand nur auf uns, weil wir kostenlos an ein Konzert dürfen?
Glaubt ihr wirklich, wir investieren Tausende Franken in gescheite Fotoausrüstungen, IT-Infrastruktur und Software, bearbeiten stundenlang Bilder, damit nur möglichst gute veröffentlicht werden – für ein Ticket?
Dafür, dass wir in einem zu engen oder nicht vorhandenen Fotograben mit Kacklicht gekämpft haben, das zufälligerweise genau nach dem dritten Song viel besser wird?
Oder dafür, dass Bands zehn Minuten lang stumm im Hintergrund der Bühne stehen und erst beim vierten Song zu Rampensäuen mutieren?
Das alles sollen wir nur für ein kostenloses Ticket tun? Für wie doof haltet ihr uns denn?


Zum Schluss


tomi joutsen amorphis @ summerbreeze – fotocredit danny frischknecht

Der Kropf ist geleert und jene, die es nötig hätten, werden diesen langen Text nicht lesen oder sich einen Scheiss darum scheren – oder uns gar abstrafen. Sei’s drum! Mir hat das gut getan und etwas Linderung in der Magengrube verschafft.

Ich werde weiterhin Zeit und Geld investieren, zusammen mit meinem Team weiter Tausende von Beiträgen veröffentlichen, mit Dutzenden coolen Menschen auf Seiten der Veranstalter und Locations zu tun haben, an viele tolle Konzerte und Festivals gehen oder mein Team da hinschicken können.

Ich werde zukünftig aber auch leichter damit leben, dass gewisse Veranstalter und Managements und Agenturen uns nicht wollen oder keine Eier und kein Rückgrat haben.

Ich werde aber auch mit mehr Selbstverständnis handeln und nicht mehr jede Ankündigung posten oder Vorberichte schreiben, wenn ich den Eindruck habe, dass wir da eh nicht zum Zug kommen. Ausser natürlich – wenn es eine wichtige Info für unsere Leserinnen und Leser ist.

Aber vor allem werde ich jenen Veranstaltern und Locations, jenen Labeln, Tourmanagern, Bookern und Bands, die unsere Arbeit zu schätzen wissen, jenen werde ich unsere Unterstützung zukommen lassen.
Wir von METALNEWS SWITZERLAND werden uns bemühen, möglichst viele Fans zu erreichen, möglichst viel Werbung zu machen, damit die Konzerte voll werden.

So stelle ich mir nämlich eine Zusammenarbeit vor, so verstehe ich den Begriff Commitment, das ist Fairness!

In diesem Sinn DANKE all jenen, die sich die Zeit und Mühe genommen haben, diese Litanei zu lesen. Lasst es euch gut gehen, geniesst den Sommer und die vielen geilen Konzerte, die noch anstehen – support your music!

Danny, Owner und Mädchen für alles bei METALNEWS SWITZERLAND

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